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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: 6 K 2103/04
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 169 Abs. 2 | |
AO § 171 Abs. 4 | |
AO § 201 | |
AO § 202 Abs. 2 |
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat -
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. März 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht .....,
den Richter am Finanzgericht .....,
den Richter ..... sowie
die ehrenamtlichen Richter ..... und .....
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand:
Der Kläger wurde im Streitjahr 1994 mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Die Einkommensteuererklärung für 1994 wurde am 29. September 1995 beim Finanzamt A... abgegeben. Der Einkommensteuerbescheid vom 20. März 1996 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - sowie hinsichtlich verschiedener anhängiger Verfahren beim Bundesverfassungsgericht vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO. Am 02. April 1997 wurde der Bescheid nach übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Beklagten im Hauptsacheverfahren - der Bescheid findet sich nicht in den Steuerakten - gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert.
Das Finanzamt A... führte von März 1998 bis Juni 1998 eine Außenprüfung beim Kläger durch, die die Jahre 1994 bis 1996 betraf. Ausweislich des bereits am 09. Juni 1998 erstellten Prüfungsberichts (Tz. 32) sollen an diesem Tag eine Schlussbesprechung stattgefunden haben und nach der Schlussbesprechung noch weitere Ermittlungen durchgeführt worden sein, letztmalig am 25. Juni 1998.
Mit Schreiben vom 24. September 1998 teilte die Prozessbevollmächtigte dem Finanzamt A... mit, dass entgegen den Angaben im Prüfungsbericht am 09. Juni 1998 keine Schlussbesprechung stattgefunden habe; insbesondere sei keine Einigung erzielt worden, und die gesamten Prüfungsfeststellungen seien unzutreffend und unsachlich. Die Prozessbevollmächtigte machte inhaltliche Ausführungen zu insgesamt 21 Textziffern des Prüfungsberichts; unter Anderem trug sie vor, dass die offenen Baurechnungen vorlägen und in ihrem Büro eingesehen werden könnten. Abschließend bat sie um Übermittlung eines geänderten Prüfungsberichts vor einer entsprechenden Auswertung.
Am 18. September 2000 erging ein Ergänzungsbericht über die genannte Außenprüfung. In Tz. 32 des Berichts hieß es: "Gemäß Ihres Schreibens vom 24.09.1998 wurde eine Schlussbesprechung nicht durchgeführt. Die letzten Ermittlungen im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO fanden am 15. Sept. 2000 [statt]." Mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 beantragte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, eine Schlussbesprechung. Auf die vom Finanzamt A... telefonisch sowie mit Schreiben vom 30. März 2001 vorgeschlagenen Termine, reagierte die Prozessbevollmächtigte nicht.
Am 25. Juni 2001 erließ das Finanzamt A... einen weiteren Änderungsbescheid für 1994, der sich ebenfalls nicht in den Steuerakten befindet und dessen Zugang der Kläger bestreitet. Am 17. Oktober 2001 fertigte das Finanzamt A... einen zweiten Ergänzungsbericht, der keine neuen Angaben über eine durchgeführte Schlussbesprechung enthielt. Am 04. Dezember 2003 versandte der nunmehr zuständig gewordene Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 1994 in der Fassung vom 25. Juni 2001 erneut.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und begründete den Einspruch mit der bereits am 04. Dezember 2003 eingetretenen Festsetzungsverjährung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO im Jahr 2003 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung am 15. September 2000 durchgeführt worden seien.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben (Eingang beim Beklagten am 24. September 2004). Er begründet seine Klage damit, dass ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 09. Juni 1998 an diesem Tag eine Schlussbesprechung abgehalten worden sei. Damit sei nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2002 eingetreten. Soweit der Beklagte behaupte, es seien noch am 15. September 2000 Ermittlungen durchgeführt worden, habe es sich lediglich um Ermittlungen gegen die Einwendungen der Prüfungsfeststellungen gehandelt. Derartige Ermittlungen seien nicht ausreichend, um zu einer Verlängerung der Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO zu gelangen (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 02. Februar 1999 6 K 5708/95 K, V, U, EFG 1999, 684).
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger weiter ausgeführt, dass mit der Übersendung des Prüfungsberichts vom 09. Juni 1998 die Außenprüfung abgeschlossen worden sei, so dass anschließende Prüfungs- oder Ermittlungshandlungen die Festsetzungsverjährung nicht verlängern könnten.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 04. Dezember 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 24. August 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte führt aus, dass der Kläger selbst eingeräumt habe, dass am 09. Juni 1998 keine Schlussbesprechung stattgefunden habe; aus diesem Grunde habe er auch mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 um die Abhaltung einer Schlussbesprechung gebeten. Im Übrigen verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 24. August 2004.
Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 29. Januar 2008 abgewiesen (Aktenzeichen 6 S 2104/04).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf den Schriftsatz vom 24. September 1998, den Außenprüfungsbericht und die Betriebsprüfungsakte.
Gründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Bei Erlass des Einkommensteuerbescheids am 04. Dezember 2003 war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
1. Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO in Verbindung mit § 169 Abs. 2 AO endet die durch eine Außenprüfung gehemmte Festsetzungsfrist nach vier Jahren, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat (1. Variante), oder - wenn keine Schlussbesprechung stattgefunden hat - mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben (2. Variante).
a) Im Streitfall hat keine Schlussbesprechung stattgefunden. Zwar deutet der erste Außenprüfungsbericht vom 09. Juni 1998 darauf hin. Sowohl der Kläger (mit Schriftsatz vom 24. September 1998) als auch der Beklagte sind aber in der Folgezeit davon ausgegangen, dass eine Schlussbesprechung nicht stattgefunden hat. Hierfür spricht nicht nur das Abrücken des Beklagten von seinen ursprünglichen Angaben im Bericht vom 09. Juni 1998, sondern auch der Antrag des Klägers vom 26. Oktober 2000 auf Durchführung einer Schlussbesprechung. Soweit der Kläger nunmehr behauptet, es habe am 09. Juni 1998 eine Schlussbesprechung stattgefunden, und sich hierbei auf die von ihm zuvor bestrittenen Angaben im Prüfungsbericht vom 09. Juni 1998 stützt, ist dieser Wechsel der Argumentation weder glaubhaft noch substantiiert.
Mangels Schlussbesprechung ist auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des FG Düsseldorf (Urteil vom 02. Februar 1999 6 K 5708/95 K, V, U, EFG 1999, 684) nicht einschlägig, da dort zunächst eine Schlussbesprechung stattgefunden hatte und anschließend (möglicherweise) weitere Ermittlungen durchgeführt wurden (kritisch zur Entscheidung des FG Düsseldorf: Schwarz/Frotscher, AO, § 171 Rz. 48 a).
b) Die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO begann somit mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen des Finanzamts A... im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden hatten (§ 171 Abs. 4 Satz 3, 2. Variante AO). Dies war ausweislich des Prüfungsberichts vom 18. September 2000 der 15. September 2000, so dass die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2000 begann.
aa) Tatsächlich fanden bis zum Jahr 2000 noch Ermittlungen der Außenprüferin statt. Als Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung sind alle Prüfungshandlungen zur Beurteilung der für die Besteuerung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen (FG Nürnberg, Urteil vom 17. November 2006 II 270/2005, nicht veröffentlicht). Hierzu gehören auch Besprechungen der Beteiligten über tatsächliche und rechtliche Fragen zum gesamten Unternehmensbereich (FG Nürnberg, a.a.O.; vgl. auch FG Düsseldorf in EFG 1999, 684, wonach der "Austausch von Rechtsauffassungen" keine Ermittlungstätigkeit im Sinne von § 174 Abs. 4 Satz 3 AO darstellt).
bb) Ausweislich des (ersten) Ergänzungsberichts vom 18. September 2000 war die Außenprüferin in dem Zeitraum vom 25. Juni 1998 (den letzten Ermittlungshandlungen lt. Tz. 32 des Berichts vom 09. Juni 1998) bis zum 18. September 2000 intensiv in die Sachverhaltsaufklärung eingestiegen: So ermittelte sie erstmals bezüglich eines antiquarisch erworbenen Bildes ("...", Tz. 10 Buchst. c des Berichts), hinsichtlich freiwilliger sozialer Leistungen, die im ersten Außenprüfungsbericht noch geschätzt worden waren, nunmehr aber anhand der Teilnehmerlisten und Bewirtungsrechnungen ausgewertet wurden (s. jeweils Tz. 12 der beiden Berichte), bezüglich der sonstigen Raumkosten (s. Tz. 14 a des Berichts vom 18. September 2000), hinsichtlich der Werbungskosten (Tz. 16 a des Berichts vom 18. September 2000), ersetzte eine Schätzung der Reisekosten (Tz. 21 des Berichts vom 09. Juni 1998) durch eine Ermittlung der nicht abziehbaren Reisekosten auf Grund der Reiseunterlagen für die in die C..., nach D... sowie nach A... und B... unternommenen Reisen (Tz. 21 des Berichts vom 18. September 2000), reduzierte die Gewinnerhöhung bei den Fremdarbeiten auf Grund der vom Kläger eingereichten Belege (Tz. 22 des Berichts vom 18. September 2000) und stieg noch einmal in die Prüfung der Aufwendungen für Fachliteratur ein (Tz. 24 des Berichts vom 18. September 2000). Substantiierte Ausführungen dazu, dass diese Ermittlungen bereits im Jahr 1998 abgeschlossen worden sein könnten, enthält die Klagebegründung nicht, so dass die Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 Satz 3, 2. Variante AO in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2000 begann und am 31. Dezember 2004 endete.
c) Der Anwendung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO steht nicht entgegen, dass der Beklagte dem Kläger am 09. Juni 1998 einen Prüfungsbericht übersandt hatte. Entgegen der Auffassung des Klägers war damit weder die Außenprüfung noch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO beendet.
Zwar wird durch die Übersendung des Prüfungsberichts die Außenprüfung regelmäßig abgeschlossen (Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 202 Rz. 1). Jedoch kann sich aus besonderen Umständen ergeben, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist (BFH, Urteil vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BStBl. II 1986, 21, unter II. A. 3. der Gründe). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor; denn trotz Übersendung des Außenprüfungsberichts im Sinne von § 202 Abs. 2 AO war noch keine Schlussbesprechung im Sinne von § 201 AO durchgeführt worden und zahlreiche Belege "bisher" nicht vorgelegt worden bzw. die betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen worden (vgl. etwa Tz. 26 des Außenprüfungsberichts vom 09. Juni 1998). Dementsprechend kam es in der Folgezeit zu Bemühungen, die zeitlich vorrangige Schlussbesprechung durchzuführen und der Außenprüferin die aus ihrer Sicht noch fehlenden Unterlagen zu übersenden. Angesichts dieser Fortsetzung der Prüfungsmaßnahmen, die vom Kläger selbst angestrebt wurden, und der noch ausstehenden Schlussbesprechung konnte der Kläger aus der bloßen Übersendung eines Prüfungsberichts nicht von einer Beendigung der Außenprüfung ausgehen. Vielmehr handelte es sich bei den nach dem 09. Juni 1998 vorgenommenen Ermittlungsmaßnahmen um Prüfungshandlungen, die noch durch die Prüfungsanordnung vom 19. Januar 1998 gedeckt waren. Im Übrigen stellt § 174 Abs. 4 Satz 3 AO nicht auf die Beendigung der Außenprüfung, sondern ausdrücklich auf die Schlussbesprechung bzw. auf die letzten Ermittlungshandlungen ab.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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